Produktion
Das internationale, markenübergreifende Produktionsnetzwerk ermöglicht den Prozess vom Lieferanten zur Fabrik und zur Montagelinie sowie von der Fabrik zum Handel und zum Kunden. Voraussetzung für unsere Wettbewerbsfähigkeit ist eine dauerhafte Effizienz. Um den Herausforderungen der Zukunft begegnen zu können, setzen wir auf ganzheitliche Optimierungen, zukunftsgerichtete Innovationen, robuste Lieferströme und Strukturen sowie eine flexible Mannschaft. Im Geschäftsjahr 2021 lag die weltweite Fahrzeugfertigung mit 8,3 Mio. Fahrzeugen 7,0 % unter dem Vorjahreswert, der von den Auswirkungen nationaler Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie geprägt war. Die Produktivität nahm im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 % zu.
Während sich die Einschränkungen und Maßnahmen aus der Pandemie im Berichtsjahr weitgehend zurückentwickelten und ein Betrieb der Fabriken unter Einhaltung von Hygienevorschriften und weiteren Covid-19 gerechten Verhaltensregeln erfolgte, lief die Halbleiterproduktion für zentrale Zulieferteile hingegen vergleichsweise nur langsam an. Knappe Marktkapazitäten der Halbleiterindustrie in Verbindung mit einer hohen Nachfrage der Konsumgüter-, IT- und Telekommunikationsbranche führten zu Versorgungsengpässen und folglich zu Produktionseinschränkungen unserer Fertigung. Zudem verschärfte sich die Situation durch besondere Ereignisse wie beispielsweise Schneestürme in Texas zu Anfang des Jahres 2021 und pandemiebedingte Werksschließungen von Halbleiterherstellern in Südostasien ab Juni 2021.
Um die Fertigungsprozesse unter Pandemiebedingungen aufrechtzuerhalten und unsere Belegschaft zu schützen, überprüfen wir kontinuerlich die im Rahmen unserer Safe-Production-Initiative entwickelten Verhaltensweisen und Maßnahmen zur Vermeidung möglicher Infektionsketten zwischen den handelnden Personen im Netzwerk und passen diese bei Bedarf an.
Produktionsstrategie „one.PRODUCTION“
Die Produktion unterstützt die neue Konzernstrategie NEW AUTO mit ihrer ebenfalls neu entwickelten Funktionalbereichsstrategie „one.PRODUCTION“. Durch die gemeinsame inhaltliche Ausrichtung unserer Aktivitäten wollen wir die Kräfte und Potenziale unserer weltweiten Fertigung und Logistik markenübergreifend bündeln und dadurch Synergien erschließen. Die Leitplanken der Produktionsstrategie bilden unsere fünf strategischen Zielfelder:
- PRODUCTION.NETWORK
- EFFECTIVITY.EFFICIENCY
- ENVIRONMENT.RESPONSIBILITY
- DIGITALIZATION.INNOVATION
- TEAM.WORK
Mit diesen strategischen Zielfeldern haben wir inhaltliche Cluster gebildet, in denen kompetenzstarke Teams die für die Produktion im Konzern relevanten strategischen Themen bearbeiten. Beispiele dafür sind unter anderem die Gestaltung unseres weltweiten Produktionsnetzwerks, die Steigerung von Effizienzen in den Produktionsprozessen, die Reduzierung und der Ausgleich von Umweltbelastungen entlang des Produktionsprozesses sowie die digitale Transformation in Produktions- und Arbeitsprozessen und in Zusammenarbeitsformaten.
Unser szenarienbasierter Strategieprozess bildet den inhaltlichen Rahmen für die strategischen Zielfelder. Übergreifendes Ziel ist es, die Produktivität und die Profitabilität zu steigern. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Standorte mit einer optimalen Auslastung unserer Fabriken gewährleisten und so Produkte mit hoher Qualität und hohem Kundennutzen zu wettbewerbsfähigen Kosten fertigen.
Globales Produktionsnetzwerk
Das Produktionsnetzwerk des Konzerns erstreckt sich über 120 Produktionsstandorte einschließlich unserer chinesischen Joint Ventures. Eine Standardisierung der Produktion mit einheitlichen Produktkonzepten, Anlagen, Betriebsmitteln und Fertigungsprozessen innerhalb einer Produktfamilie ist ein wesentlicher Faktor unserer zukunftsorientierten Fertigung. Wir entwickeln unsere Produktionskonzepte stetig weiter, richten sie auf neue Technologien aus und wollen dabei ambitionierte Ziele in den einzelnen Projekten realisieren.
Die flexiblen Produktionskapazitäten auf Basis unserer Plattformen bieten die Möglichkeit, auf Marktanforderungen zu reagieren, das Produktionsnetzwerk bedarfsgerecht auszulasten sowie markenübergreifend Synergien durch Mehrmarkenstandorte zu realisieren. Aktuell sind bereits knapp die Hälfte der 46 Pkw-Standorte Mehrmarkenstandorte. Das Musterbeispiel im Konzern bleibt der Standort Bratislava: Hier werden Fahrzeuge der Marken Volkswagen Pkw, ŠKODA, SEAT, Audi und Porsche produziert.
Der Volkswagen Konzern will mit der neuen Konzernstrategie NEW AUTO nachhaltige, vernetzte, sichere und maßgeschneiderte Mobilitätslösungen für kommende Generationen entwickeln und die Neuausrichtung vom Fahrzeughersteller zu einem weltweit führenden, softwarezentrierten Mobilitätsanbieter vorantreiben. Eine Grundlage hierfür war die Einführung des Modularen E-Antriebs-Baukastens (MEB). Mit ihm ergänzen wir unser Angebotsportfolio um weitere batterieelektrische Fahrzeuge. Seit 2019 werden in Zwickau, dem ersten Elektrostandort des Volkswagen Konzerns, batterieelektrische Fahrzeuge, wie beispielsweise der ID.3 der Marke Volkswagen Pkw, auf Basis des MEB gefertigt. Im Jahr 2021 wurde das Portfolio der MEB-Plattform in Zwickau durch den CUPRA Born und den Audi Q4 e-tron erweitert. Des Weiteren kommt für Premium- und Sportmarken eine rein elektrische Plattform namens Premium Plattform Elektrik (PPE) zum Einsatz, um markenübergreifende Synergien in der Fertigung zu heben.
Produktionsstandorte
Das weltweite Produktionsnetzwerk des Volkswagen Konzerns erhöhte sich durch den Erwerb von Navistar auf 120 Standorte, deren Portfolio die Fertigung von Pkw, Nutzfahrzeugen und Motorrädern sowie Aggregaten und diversen Komponenten darstellt. Europa bleibt mit 63 Fabriken weiterhin der Mittelpunkt der Produktionsaktivitäten, die Bedeutung der Region Asien-Pazifik wird durch 34 Standorte unterstrichen.
Im abgeschlossenen Geschäftsjahr wurden durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und die zusätzlich aufkommenden weltweiten Versorgungsengpässe, insbesondere bei Halbleitern, die Rahmenbedingungen der Produktionsanläufe erschwert. Dem Volkswagen Konzern ist dennoch der Anlauf von 64 Fahrzeugprojekten gelungen, davon waren 26 neue Produkte beziehungsweise Produktnachfolger sowie 38 Produktaufwertungen oder Derivate.
Neue Technologien und Digitalisierung
Digitale und innovative Technologien werden im Volkswagen Konzern systematisch validiert und deren Einsatz für die Produktion und Logistik pilotiert sowie ausgerollt. Dadurch sollen sich Kostenpotenziale in der Wertschöpfungskette, flexiblere Umsetzungsmöglichkeiten und Qualitätsverbesserungen realisieren lassen. Die digitale Transformation in der Produktion hat das Ziel, die gesamte Prozesskette zu vereinfachen und neue Technologien bestmöglich einzusetzen. Innovationsfelder lagen 2021 im Bereich Computer Vision, Augmented Reality und Process Mining.
Auf Basis der von Volkswagen selbst entwickelten Computer-Vision-Plattform wird künstliche Intelligenz unter anderem für komplexe Label-Prüfungen genutzt und markenübergreifend an den Standorten übertragen. Hierbei wird beispielsweise das Typschild im Fahrzeug auf die richtige Positionierung und mögliche Beschädigungen geprüft. Darüber hinaus wird die Augmented-Reality-Technologie (Verknüpfung der virtuellen mit der physischen Welt), insbesondere durch den Einsatz des Ausgabemediums der Datenbrille, in ersten Pilotprojekten in der Mitarbeiterschulung sowie bei der Fernunterstützung und Kollaboration erprobt. Auf diese Weise werden die technischen und IT-spezifischen Grundlagen für einen konzernweiten Einsatz in der Produktion geschaffen. Um übergreifende Produktions- und Logistikprozesse digital abzubilden und besser zu verstehen, wird an der Nutzung von Process Mining (Visualisierung und systematische Auswertung IT-gestützter Prozesse in seiner Gesamtheit) gearbeitet. Zusammen mit der Konzernlogistik und einzelnen Standorten sind erste Einsatzfelder im Bereich Process Mining in Bearbeitung. Zum Beispiel werden am Standort Kassel Ursachen von Störungen von Abgasanlagen identifiziert, um somit die Anlageneffizienz zu erhöhen und den Ressourcenbedarf zu reduzieren.
Innovative Anwendungen werden auch dezentral an den Standorten entwickelt und über die zentrale, cloud-basierte Digitale Produktionsplattform (DPP) im Konzern zur Verfügung gestellt. Trotz der Covid-19-Pandemie und erschwerten Rahmenbedingungen konnte der Ausbau der DPP gemeinsam mit Amazon Web Services (AWS) und Siemens voran getrieben werden. Weitere Produktionsstandorte wurden an die DPP angeschlossen und mit ersten eigenentwickelten Applikationen für die Verbesserung der Produktion und Logistik ausgestattet. Im Jahr 2021 wurde auch vermehrt der Austausch von lokalen Lösungen zwischen den Standorten über die DPP praktiziert. Beispiele für übergreifende Lösungen auf der DPP sind Lokalisierungsservices für Fahrzeuge und Karosserien auf dem Fabrikgelände, intelligente Anlagenüberwachungen, digitales Shopfloor-Management sowie durch künstliche Intelligenz gestützte Qualitätsprozesse und durchgängige Qualitätsregelkreise. Des Weiteren wird gemeinschaftlich an Predictive-Maintenance-Anwendungen (vorausschauende, proaktive Technik zur Instandhaltung und für Wartungsarbeiten) sowie Funktionen der Datenanalytik gearbeitet, um werksübergreifende Prozesse zu analysieren und zu vergleichen.
Der Volkswagen Konzern nutzt bewusst die Innovationskraft aus unserem stetig wachsenden Innovationsökosystem. Die Open-Innovation-Plattform des Konzerns bietet dafür die zentrale Anlaufstelle für Start-ups und andere innovative Unternehmen, um gemeinsam an neuen Lösungen und Konzepten für die Produktion zu arbeiten.
Mit der Industrial Cloud geht der Volkswagen Konzern noch einen Schritt weiter und etabliert auf Basis der DPP gemeinsam mit Amazon Web Services (AWS) und dem Integrationspartnerunternehmen Siemens ein offenes Ökosystem, in dem Internet-of-Things und Data-Analytics-Lösungen für eine effizientere und transparentere Wertschöpfungskette der Zukunft zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Industrial Cloud Community umfasste 2021 bereits über 15 Industriepartnerfirmen.
GoTOzero Impact Factory
Mit der Funktionalbereichsstrategie „one.PRODUCTION“ planen wir die Produktion von morgen. Ressourceneinsatz und Emissionen der Standorte des Volkswagen Konzerns erfordern dabei besondere Aufmerksamkeit. Das Programm „goTOzero Impact Factory“ entwickelt konkrete Schritte zu einer Produktion, die keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat. Die Vision dahinter ist eine Fabrik ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt.
Wir haben eine Checkliste entwickelt, die die Standorte unterstützt, ihren Status auf dem Weg zu einer „Zero Impact Factory“ zu bestimmen. Diese umfasst derzeit 143 Umweltkriterien und bietet damit die Basis für die kontinuierliche Reduzierung von beispielsweise Energieverbrauch und CO2-Ausstoß.
Um unter anderem derartige Programme umzusetzen, wird in allen Produktionsstandorten weltweit ein Managementsystem eingeführt, das die wesentlichen Themen aus dem Bereich Compliance mit denen des Umweltmanagements verknüpft. Dieses Umwelt-Compliance-Managementsystem (UCMS) bildet im Rahmen der Produktionsprozesse die feste Grundlage für die Einhaltung aller externen und internen Vorschriften und Regeln in Bezug auf die Umwelt.
Im Jahr 2020 haben wir das UCMS in den ersten Konzerngesellschaften umgesetzt und 2021 auf weitere ausgerollt. Dieser Prozess wird aktiv unterstützt, begleitet und nachverfolgt.
Um Synergien zu heben, fördern wir weltweit die Vernetzung und den Austausch zwischen den Marken. Unsere Umweltexperten treffen sich regelmäßig in Arbeitsgruppen. Außerdem schulen wir Mitarbeiter und Führungskräfte gezielt zum Thema Umweltschutz.
In einem weiteren IT-gestützten System erfassen und katalogisieren wir Maßnahmen, die wir für einen konzernweiten Best-Practice-Austausch zur Verfügung stellen. Im Berichtsjahr wurden in diesem System rund 1.544 umgesetzte Maßnahmen im Bereich Umwelt und Energie über das System Maßnahmen@Web nachverfolgt und dokumentiert, die der Verbesserung der Infrastruktur und der Produktionsprozesse von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen dienen und beispielsweise in den Dekarbonisierungsindex (DKI) einfließen. Diese Aktivitäten lohnen sich in ökologischer und oft auch ökonomischer Hinsicht und haben einen positiven Einfluss auf die Umweltindikatoren des Konzerns.
GoTOzero Impact Logistics
Die Logistik von Konzern und Marken unterstützt in der gemeinsamen Initiative „goTOzero Impact Logistics“ das Erreichen der Ziele des Umweltleitbildes goTOzero. Das kontinuierliche Optimieren des Transportnetzwerks und der Logistikprozesse kann Emissionen reduzieren – auch mit den Mitteln der Digitalisierung. Darüber hinaus wird stetig der Einsatz neuer, emissionsarmer Technologien im Transport von Produktionsmaterialien und Fahrzeugen geprüft und forciert.
Die vom Volkswagen Konzern ergriffenen Maßnahmen für eine zukünftig bilanziell CO2-neutrale Logistik umfassen beispielsweise die Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene und die nahezu vollständige CO2-Vermeidung durch den Einsatz von Grünstrom im Schienenverkehr in Deutschland in Zusammenarbeit mit der Deutsche Bahn AG.
Konkrete Beispiele für die Nutzung der Bahn als emissionsarmer Verkehrsträger sind der Transport der Batteriemodule vom Lieferanten im polnischen Wrocław nach Braunschweig sowie der Transport von Batteriesystemen vom Komponentenstandort Braunschweig in das Werk Zwickau, zur Produktion rein batterieelektrischer Fahrzeuge.
Darüber hinaus nutzt die Konzernlogistik zwei mit schadstoffarmem Flüssigerdgas (LNG) betriebene Roll-on-Roll-off (RoRo)-Charterschiffe für den Fahrzeugtransport über den Nordatlantik. Die Konzernlogistik plant, mit vier weiteren Autofrachtern des gleichen Antriebs konventionell betriebene Schiffe auf der Route über den Nordatlantik ab Ende 2023 abzulösen. Im Gegensatz zu anderen mit LNG betriebenen Schiffsmotoren sind die Charterschiffe der Konzernlogistik klimaschonend, weil durch die Hochdruck-Technologie der Zwei-Takt-Motoren von MAN Energy Solutions nahezu kein Methan entweichen kann. Die Dual-Fuel-Motoren ermöglichen zudem den zukünftigen Einsatz von nichtfossilen Treibstoffen – Biogas (Bio-LNG), E-Gas (synthetisches Gas) aus regenerativen Quellen oder Biofuel, um die CO2-Emissionen noch weiter reduzieren zu können.
Des Weiteren betreibt die Konzernlogistik auf europäischen Seerouten dauerhaft zwei Charterschiffe mit zertifiziertem regenerativen Kraftstoff. Alte Speiseöle und Fette – Abfälle und Reststoffe beispielsweise aus Gastronomie und Lebensmittelindustrie, die nicht für die Weiterverarbeitung zu Nahrungs- oder Futtermittel genutzt werden können – bilden den Rohstoff für den Bio-Treibstoff, der gegenüber herkömmlichen, fossilen Treibstoffen mindestens 85 % weniger CO2 verursacht.