Brief an unsere Aktionärinnen und Aktionäre
mit Sorge blicken wir aktuell auf die Ukraine und die Menschen dort, unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere europäischen Nachbarn, die unter dem Krieg leiden. Seit dem Beginn der Kämpfe hat der Volkswagen Konzern mit seinen Marken aktuell mehr als 5 Millionen Euro an die UNO-Flüchtlingshilfe und weitere Hilfsorganisationen gespendet. An vielen Standorten unterstützt die Belegschaft die Hilfsaktionen und viele Marken stellen den Helfern in Osteuropa Autos bereit.
Wir können die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft heute noch nicht absehen. Aber schon jetzt ist klar: Ein langer Krieg würde nicht nur Europa schaden. Die internationale Staatengemeinschaft, deren Wohlstand auf einem freien Welthandel und funktionierenden Lieferketten fußt, wäre um Jahrzehnte zurückgeworfen. Die Rückkehr zur Diplomatie und eine Konfliktlösung auf der Grundlage internationalen Rechts sind unabdingbar.
Auch der Erfolg des Volkswagen Konzerns mit seinen 120 weltweiten Standorten ist eng verflochten mit der Globalisierung. Im Geschäftsjahr 2021 haben die Corona-Pandemie und die Halbleiterknappheit in der gesamten Automobilbranche immer wieder zu Produktionsausfällen und Lieferengpässen geführt. Im Ergebnis haben wir zwei Millionen Autos weniger produziert als geplant. Dass der Konzern sein Operatives Ergebnis vor Sondereinflüssen auf 20 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr trotzdem verdoppeln konnte, liegt an unserer Widerstandskraft und der großen Nachfrage nach unseren Fahrzeugen sowohl im klassischen Verbrennergeschäft, als auch zunehmend bei den E-Autos. Die Premiumgruppe hat mit ihren Marken Audi, Bentley, Lamborghini und Ducati überproportional zum Ergebnis beigetragen. Den erwirtschafteten Netto-Cash-Flow von 8,6 Milliarden Euro investieren wir in unsere Transformation zu emissionsfreier, autonomer Mobilität. Unseren Aktionärinnen und Aktionären schlagen wir für das Geschäftsjahr 2021 eine Dividende von 7,56 Euro je Vorzugsaktie und 7,50 Euro je Stammaktie vor.
Die Erfolge von Volkswagen sind die Erfolge von 670.000 Kolleginnen und Kollegen rund um den Globus. Sie haben auch im Jahr 2021 viel geleistet. Die Halbleiter-Taskforce hat mit unseren Lieferanten und den Halbleiterherstellern Lösungen für kurzfristige Lieferengpässe gefunden und unsere Entwicklerinnen und Entwickler haben 150 technische Alternativen in die Autos gebracht, um fehlende Chips zu ersetzen.
Auch strategisch haben wir im vergangenen Jahr viel erreicht. Vor sechs Jahren haben wir die Entscheidung getroffen, unser Portfolio auf elektrische Antriebe umzustellen. Die Gegenwart zeigt: Es war die richtige Entscheidung. Im Jahr 2021 sind wir mit rund 25 % Marktanteil marktführend bei E-Autos in Europa und liegen mit rund 7,5 % in den USA auf Platz 2. Damit ist unser Marktanteil bei den E-Autos schon fast doppelt so hoch wie bei den Verbrennern. Die amerikanische Klimapolitik gibt uns Rückenwind: Mehr als zwei Drittel aller ID.4 Käuferinnen und Käufer in den USA sind neu bei der Marke Volkswagen. In China haben wir mit 93.000 Einheiten viermal so viele E-Autos ausgeliefert wie im Jahr zuvor. Bis 2030 werden wir global den Anteil von E-Fahrzeugen auf 50 % erhöhen. Auch die Zukunft von Bussen und Trucks ist elektrisch: TRATON wird die Investitionen in die Elektrifizierung kontinuierlich erhöhen.
In unseren Schlüsselmärkten haben wir wichtige Meilensteine erreicht: In den USA hat die Marke Volkswagen 375.000 Fahrzeuge ausgeliefert, so viele wie seit 2013 nicht mehr. Nach jahrelangen Verlusten ist die Marke Volkswagen in den USA, ebenso wie in Kanada und Mexiko, wieder profitabel. Wir treffen mit den SUVs der Atlas Familie, dem Taos, Tiguan und ID.4 den American Taste – die fünf SUV-Modelle machen etwa 70 % des US-Umsatzes aus. Auch in Südamerika hat die Marke Volkswagen im Jahr 2021 den Turnaround geschafft. Mit lokal entwickelten Modellen wie dem Nivus and Taos haben wir unser Produktportfolio in den letzten Jahren modernisiert. Es ist uns gelungen, unsere Marktanteile zu steigern und wieder Gewinne und einen positiven Netto-Cash-Flow zu erwirtschaften. In China sind wir weiterhin sehr profitabel. Die Marke Volkswagen ist mit einem Anteil von fast 12 % Marktführer. Porsche, Bentley und Lamborghini konnten ihr bisher bestes Auslieferungsergebnis erzielen.
In der Welt des NEW AUTO wird die Mobilität emissionsfrei und autonom sein, mit hoher Kundenorientierung und neuen Umsatzquellen.
Mit unserer Strategie NEW AUTO haben wir die Weichen gestellt, um unseren Konzern zukunftsfest zu machen. Wir wandeln uns von einem Automobilhersteller mit faszinierenden Marken und exzellenter Ingenieurskunst zu einem vertikal integrierten Mobilitätsunternehmen. Batterie und Laden werden zu unserer Kernkompetenz und Umsatzquelle. Mit der Gründung einer eigenen Gesellschaft europäischen Rechts bündeln wir unsere Batterie-Aktivitäten und besetzen alle erfolgskritischen Etappen der Wertschöpfung. Künftig können sich auch Dritte an der Gesellschaft beteiligen – einen Börsengang schließen wir nicht aus.
In der Welt des NEW AUTO wird die Mobilität emissionsfrei und autonom sein, mit hoher Kundenorientierung und neuen Umsatzquellen, zum Beispiel durch zubuchbare Assistenzsysteme oder ein breites Entertainment-Angebot.
Dafür ist Software die Grundlage – unsere Software-Unit CARIAD baut hier die notwendigen Kompetenzen auf. Mittlerweile arbeiten bei CARIAD rund 5.000 Expertinnen und Experten. Dank der engen Zusammenarbeit der CARIAD und unserer Marken konnten im vergangenen Jahr bereits rund 56.000 Kundinnen und Kunden unserer ID. Modelle ihre Fahrzeuge over the air aktualisieren. Um die Fortschritte beim autonomen Fahren zu beschleunigen, haben wir die Kamerasoftwaresparte von Hella integriert und bauen weiter strategische Partnerschaften aus – etwa zwischen CARIAD und Bosch zur gemeinsamen Entwicklung der Software.
Unser Angebot an Mobilitätsdiensten vergrößern wir Schritt für Schritt. Um die Auswahl um Mietangebote zu ergänzen, haben wir die Übernahme von Europcar angestoßen. Für den Betrieb von Shuttle-Flotten sammeln wir in Hamburg mit MOIA nach einer pandemiebedingten Pause weiter Erfahrungen, um ab dem Jahr 2025 autonome Shuttles durch die Hansestadt fahren zu lassen. Dafür testen wir mit dem Volkswagen ID. Buzz und Argo AI das autonome Fahren bereits in München.
Für unseren Stammsitz in Wolfsburg haben wir eine Zukunftsvision 2030 entwickelt, mit der wir die Wettbewerbsfähigkeit unseres größten Standorts sicherstellen. Wir werden für zwei Milliarden Euro eine neue Fabrik mit schnelleren und effizienteren Prozessen bauen, um ab 2026 ein wettbewerbsfähiges, elektrisches und Level-4-fähiges Auto zu fertigen – das Projekt Trinity. Es bringt das autonome Fahren ins Volumensegment. Wir investieren 800 Millionen Euro in ein neues Entwicklungszentrum, das modernste in Deutschland. Außerdem entsteht am Standort eine schlankere, effizientere Zentrale, die den Konzern weltweit steuern wird.
Trotz vieler Erfolge war das Jahr 2021 für viele Beschäftigte nicht einfach. Umso mehr freut mich, dass wir beim jährlichen Stimmungsbarometer in der Belegschaft den besten Umfragewert erzielt haben, seit 2018 steigt dieser Wert kontinuierlich. Vielen Dank für das Vertrauen. Und auch bei Ihnen, sehr geehrte Anteilseignerinnen und Anteilseigner, bedanke ich mich für die Unterstützung unserer Strategie.
Der Krieg in der Ukraine hat schon jetzt dramatischen Folgen. Die Auswirkungen auf unser Unternehmen sind gegenwärtig noch nicht abzusehen. Volkswagen hat aber in den Jahren 2021 und auch 2020 gezeigt, dass unser Geschäft trotz akuter globaler Herausforderungen resilient ist und wir mit Krisen besser umgehen als in der Vergangenheit. Gleichzeitig werden wir unsere NEW AUTO Strategie konsequent weiter umsetzen, um auch in der künftigen Welt der Mobilität eine führende Rolle zu spielen.
Herzlichst Ihr
Herbert Diess